Das Vestibular-Syndrom
Die Bezeichnung Vestibular-Syndrom steht für Störungen des Gleichgewichtorgans, das sich im Innenohr befindet. Das Gleichgewichtsorgan, auch Vestibularapparat genannt, ist ein kompliziert aufgebautes System, dessen Aufgabe es ist, dem Gehirn die Position des Körpers im Raum zu übermitteln. Anhand dieser Information werden nun die Bewegungen des Körpers abgestimmt und es erfolgt die räumliche Orientierung. Ist diese Orientierung im dreidimensionalen Raum gestört, kann das Gehirn die Bewegungen des Körpers nicht mehr entsprechend dessen Lage koordinieren – der Körper gerät buchstäblich aus dem Gleichgewicht. In der Regel tritt das Krankheitsbild bei älteren Patienten auf, daher auch geriatrisches Vestibular-Syndrom, es können aber auch jüngere Tiere betroffen sein. Noch gibt es keinen ersichtlichen Grund für diese Erkrankung, lediglich Theorien über die Entstehung. Da die Auswirkungen einer vestibulären Störung beim Tier den Symptomen eines menschlichen Schlaganfalls sehr ähnlich sind, verwenden manche Tierärzte den Begriff „Schlaganfall“ in der Erklärung für den Tierbesitzer, da dies deren Verständnis oft erleichtert. Das Vestibular-Syndrom als Störung des Gleichgewichtsorgans ist jedoch medizinisch nicht gleichzusetzen mit dem Schlaganfall als Folge einer Durchblutungsstörung im Gehirn mit anschließendem Absterben von Hirnzellen.
Symptome:
Das für den Tierhalter erschreckende an dieser Erkrankung ist, dass sie ganz plötzlich auftritt: der eben noch völlig normal erscheinende Hund fällt plötzlich um, kann sich eventuell nicht mehr aus eigener Kraft erheben und zeigt deutlich sichtbare Kopfschiefhaltung. Oft haben die Tiere Mühe, geradeaus zu laufen, sie wirken wie Betrunkene, schwanken und erscheinen desorientiert. Einige Hunde laufen im Kreis. Auffallend ist auch ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Nystagmus, d.h. die Augäpfel bewegen sich schnell und ruckartig von einer Seite zur anderen, oder es kommt zum Schielen (Strabismus). Durch die Gleichgewichtsstörungen ist den Patienten schlecht, was durch Nahrungsverweigerung, Speicheln und Erbrechen sichtbar werden kann. In milderen Fällen fühlen sich die Tiere oft relativ wohl, sie wollen fressen und trinken, brauchen hierbei aber mitunter Hilfe, da durch den Schwindel der Weg zum Fressnapf oder dessen genaue Lokalisation schwierig wird. Die Fütterung von Hand beseitigt diese Schwierigkeiten schnell.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt anhand der typischen Symptome. Allerdings müssen beispielsweise schwerwiegende Ohrentzündungen, Fremdköper, Tumore Infektionskrankheiten oder Toxoplasmose als Krankheitsursache differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Therapie
Da die Krankheitsursache nicht genau bekannt ist, gibt es keine kausale Therapie. Allerdings kann die gezielte symptomatische Behandlung die Auswirkungen des Vestibular-Syndroms lindern und den Heilungsprozess beschleunigen. Bei sehr schwer betroffenen Tieren ist eine Infusionstherapie sinnvoll, die die Kreislauf- und Durchblutungssituation verbessert. Spezielle Medikamente stoppen Übelkeit und Erbrechen. Auch der Einsatz entzündungshemmender Medikamente und entsprechender Vitamingaben kann sich positiv auswirken. Wichtig ist dann die häusliche Ruhe und Pflege. Für die Erholung braucht es ein wenig Geduld von Seiten der Tierbesitzer. Oft sind es zunächst nur kleine Fortschritte, beispielsweise verschwindet der Nystagmus meist schon nach einigen Tagen. Innerhalb von 2-3 Tagen sollte insgesamt eine Besserung feststellbar sein, die sich dann kontinuierlich fortsetzt. In der Regel ist das Vestibular-Syndrom beim Hund nach spätestens 2 Wochen abgeklungen.
Prognose
Die meisten Tiere genesen vollständig. In Einzelfällen können kleine Einschränkungen wie eine leichte Kopfschiefhaltung zurückbleiben. Das Tier wird dadurch aber nicht beeinträchtigt und durch Physiotherapie ist das Problem häufig auch zu korrigieren.
Ihre Kleintierklinik am Landratsamt
Dr. H. Scholl, J. Fritz, Dr. S. Dahnken
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